66
Mi
17.4.2013 16 Uhr
Ein
Kind, das nichts versteht, steh staunend ich vor Dir
Die
Augen aufgerissen schau ich in die Welt
Ein
Kind, das nichts versteht, bin ich, das schier
Verzweifelt
an dem Rätsel, das Du ihm gestellt
Wo
lauf ich hin? Wo bist Du? Wo und wer sind wir?
Ein
Kind bin ich, das einen alten Mann enthält
Ein
engelschwangrer Greis, ein Löwen-Adler-Stier
Die
Flügel voll von Augen, vielen, ungezählt ...
67
Di
23.4.2013 9.15 Uhr
Was
Du mir wünschst, ist immer dann
Schon
Wirklichkeit, ist dann schon da
Wenn
Du mich anschaust, ja, und wann
Ich
Dir darf durch Den Blick, der mich
Durchsucht,
hindurch tief in Dein Licht
Hinein
mich öffnen Deiner Sicht
Und,
wie Du mich, erkennen Dich!
Di
23.4.2013
Ich
war Dein Hans, ich bin nun Dein,
Ich
will Dein Hans für immer sein!
Nun
Gute Nacht, und schlaf gut ein
Und
ruh so schwer als wie ein Stein
Do
25.4.2013
Liebe
Freundin! Ja: Mit jeder
Neuen
Blüte unsres Bäumchens
Grüß
ich Dich und schütte heut schon
Hundert!,
ja schon hundert! süße
Sonnensternlichtweiße
Grüße
In
Dein hochgeschürztes Hemdchen
(Süß
bist Du, wie Du da stehst, so
Weiß
und weich und nackt und bloß, so
Süß
Dein kaumbeflaumter Schoß ... oh!)
Fr.
26.4.2013 7 Uhr
Guten
Morgen, liebe Sofja!
Ich
bin verloren, doch Dein:
Du
hast mich nicht verloren
Du
wirst mich nicht verlieren
Fassungslos
bin ich, Du umgreifst mich
Mit
Deinen weit sich ausfaltenden Flügeln
Frei,
Du allseits Bedrängte, Skarabäa,
Frei
dahinstürzend durch Fernen?
Verstumme
ich nun, nackt und bloß?
Licht
- der In-sich-Grund:
71
Fr
26.4.2013 21.45 Uhr
Sa
27.4.2013 5 Uhr
Daß
mir das Herz zerspringt
(Deins
oder meins?) Der Tag
Steckt
in den Kinderschuhn
Doch
ich kann nicht mehr ruhn
Die
Rathausuhr schlägt fünf
(Was
reimt sich denn auf ünf?)
Hünf
Sünjas Strünf üm Sünn
So
28.4.2013
Ich
schrieb Dir, Skarabäa, einen Brief. Ich schrieb ihn
Zwei
Tage lang auf ein Quadrat von weißem Leinen
Ich
schrieb mit weichen Haaren, harten Borstenpinseln -
Das
heißt: ich wischte erst und kratzte später Spuren
Ins
Schicht um Schicht auf Schicht geschichtete Geschichte
Zuerst
ward alles rosig eingefärbt - ein Haut-Ton
Man
nennt ihn Inkarnat - drauf sprüht' ich bunte Punkte
Und
zog Spiralen rund herum, umkreiste Felder
Wie
Fische, die den weiten Bögen eingegliedert
Gut
eingeschmiegt, gepaßt-gefaßt, wie Perlmutt glänzen
Ein
allzu bunt geflecktes Farb- und Formgewimmel
Verwirrend
und ermüdend für Betrachteraugen,
Die
einen Schwerpunkt, Fluchtpunkt, eine Mitte suchen
So
ging ich dieser Brut von außen an den Kragen
Mit
Himmelblau umrahmt' ich erst und tauchte schließlich
Mit
wilden Wirbeln ein in diesen Schwarm der Fische
Ließ
Inseln hier und dort und Blätter, Fetzen gelten
Als
lichte Zwischenräume, Mond und Muschelsplitter,
Gestirne
ozeanischer Geburten: "Mondnein",
Ja,
Sofja, so soll dieses blaue Nachtstück heißen
Denn
so, als Mond-Nein kennst Du, Sonn'-ja, mich, den Hans-Dein
Mi
1.Mai (zum Do 2.5.2013)
Dies
Birkengrün zum Maibeginn
Stopft
Dir der Mann, der Dich im Sinn
Hat,
in den Kasten Deiner Briefe
Daß
gerührt Dein Auge triefe
Tränen
über so viel Liebe:
"Grüne
Triebe" meinen "Triebe"
75
Fr.
3.5.2013 7 Uhr
Gefieder
der Amseln: schwarz glänzt die Nacht
Geflöte
der Amseln: singt Sofja im Regen
Gezwitscher
der Amseln: die Stille zerlacht
Geflatter
der Amseln: wie sie sich erregen
Gevögel
der Amseln: mein Herz erwacht
Gezeter
der Amseln: Hans' Morgengruß-Segen
Fr
3.5.2013 22.30 Uhr
Natürlich
wüd ich liebendgern
Dich
in den Armen halten, in den Händen,
Die
Dir dies Sätzchen schreiben,
Und
mit den Fingern, die es tippen,
Ja,
sanft über Deine Brauen streichen
Doch
wird Selene bei Dir bleiben oder Du
Willst
gleich in tiefe Schlafenshimmel stürzen
Und
Dich in meinem Arm zu fühlen, meine Hand
Auf
Deinem Busen, -- bleibt mir nur zu träumen -
Und
Dir, mein Herz. Ich halte Dich ganz fest
In
meinen Armen und ich küß Dich zärtlichst,
Du
süßestes Gesicht, Du weicher Leib,
Du
tief ins Glück der Ruhe Eingesunkne:
Ich
bin bei Dir, mit Dir, um Dich, in Dir
Wie
Du in mir, um mich, mit mir und bei mir
Bist
Hans Du, Sofja ich, HanSofja-Sohfjans
Wir
beide eins, wie eins mal eins gleich eins ist
Sa
4.5.2013 22.30 Uhr und So 5.5.2013
5.30 Uhr
"Schlaf
gut!" will ich zur Nacht Dir sagen, aber wie?
Denn
sieh: Verloren bin ich, finde mich nicht mehr!
Nachdem
ich heute Dir ein neues Bild gemalt,
Versenkte
ich mich tief in die Spiralgestalt,
Den
Ammoniten, den ich da gewunden hab,
Und
war gebannt und kam dann nicht mehr weg vom Bild
Es
sog in seinen Schneckengang mich mit Gewalt
Hinein,
ich kam nicht mehr hinaus. Da steck ich nun
Und
vor dem Bild sitzt nur mein Körper staunend stumm
Und
starrt mit großen Augen mich im Bild selbst an
Der
Arme! Ich dagegen schwimm durchs Farbenmeer
Ultramarin
- durch Seligkeit in Sofjas Schlaf
Nun
hab ich mich entwunden Deinen Armen
Und
Deinem Haar- und Kuß- und Traumgeflecht;
Bin
aus dem Schlaf, bin aus dem Bild geschlüpft,
Koch
uns nun Kaffee und ein Ei. Ists recht?
Di
7.5.2013 6 Uhr
Meine
Skarabäa! Guten Morgen
Wünsch
ich Dir, Selene und dem Hund
Liegt
wie Apfelkerne wohlgeborgen
Ihr
noch in der Schlafensfrucht, gesund
Frühlingslüfte
atmend, feucht und schwer
Alles
treibt und wächst und wuchert hier
Maienhaft,
auch Hans, und immer mehr
Ringt
mit Farben, Worten er - mit Dir
Mi
8.5.2013 1.30 Uhr
Sa
11.5.2013 6.30 Uhr
Noch
schlafen wohl die Gäste in dem großen Ehebett
Doch
wenn Du dies hier liest, wirst eben aufgekeimt Du langsam
Zum
Tag Dich auseinanderfalten, ja: Ich grüße Dich
Hab
selbst noch kaum das erste Keimblatt-Händepaar entfaltet
Dir
galt mein erstes Denken, mein Gebet um rechte Wegwahl
(Die
Kompaßnadel zitterte und kreiste, drehte durch
Und
schaukelte im Her und Hin sich auf die Bärin ein)
Dir,
Liebe, gilt die Wirbelstraße eines ganzen Jahres
Dir
gilt der weite Wurf, der stille Wille, der nichts will:
Genügsamkeit,
durchglüht vom Eis verzehrender Geduld
Von
dem ein Tag wie heute nur ein kleiner Abzweig ist
In
sich verzwirbelt. Und das Wasser dieser Strudelbahn
Ist:
daß ich an Dich denke (das geschieht ganz von allein)
Und
daß ich gern Dir opfere mein Wirken, wenn ich mische
Die
Farben wärmender Begeisterung mit kühlem Geist
Und
daß ich küsse Deine Augen, seh Dir in die Augen
Erkenne
Dich durch Deine Augen, liebe immer wieder
Und
immer neu Dich Augen-Blick, Dich sonnenlichtes Auge
Jungbrunnen
Du des Lebens, immer jung und immer neu
Di
14.5.2013 6.30 Uhr
Liebste,
Guten Morgen Dir!
Heut
erschienst Du mir in Träumen:
Haus
in Kamenz, voll von Leuten
Er
und Du, die Großen, (ich
War
auch da, versteckte mich) -
Aufbruch
wars und großes Räumen.
"Hans,
du sahst in allen dich
Selbst:
Im Morgen-Aufbruch keimen
Träume,
die sich selbst bedeuten."
Do
16.5.2013
Schlaf
gut, denn, Skarabäa, nötig hast es Du:
Vier
Tage vor der Großmischpoken-Kollision
Bist
so gereizt Du, daß, wer Dich spontan besucht
Auf
Waffen überprüft wird, bis er Mitleid schwitzt
Bei
Morpheus! - Sofja, schlaf Du gut!, ja schlafe tief!
Und
schöpfe aus den Brunnen des Vergessens Kraft:
Weg,
weg mit all dem Therapie- und Sorgen-Scheiß
Vergiß
auch mich (ich mal Dir einsam Bild um Bild)
Genieß
mit offnem Blick die Menschen, viele wohl
Ein
letztes Mal, und sorg für Deine Tochter gut
Lach
über zweischneidige Scherze, lächle warm -
Und
noch einmal: viel Energie und Klugheit Dir
Im
Fechtkampf der Begegnungen, im Sprachgeflecht
Der
Geistes-Feuerzungen, die herabgeflammt
Auf
eines jeden Kopf im sturmdurchbrausten Haus!
84
Mi
22.5.2013 morgendlicher
Brief mit Orangenblüte
Zertritt
nicht, Skarabäa, dieses kleine Ding
Gepflückt
von den Orangenbäumchen, das Du kennst
Du
da mich abgewiesen hast und streng bedroht?
Nimm
an mein kleines Opfer, iß die Blüte auf
Du
kannst sie in ein Glas mit Wasser legen, ja,
Aufriechen
auch den Nektar. Schau den kleinen Stern
Des
Bäumchens erste Blüte, Dir geschenkt von Hans
Mi
29.5.2013 7 Uhr
Und
Du willst diese magischen Nachtstücke,
taubenblau, untermeerisch,
in der Farbe Deiner Augen,
gemalt für die Wand über Deiner Bettmatratze
(wo
jetzt ein kostbares Geschenk an Dich hängt,
ein zauberhaft fein geknüpfter,
wunderbarer, kleiner Seidenteppich,
den ich neidisch-verschämt
bestaune, hochschätze, liebe,
denn er ist traumhaft schön),
in Deinen halbdunklen Flur abschieben,
wo man keine Fernsicht auf sie hat?
auf dem Weg in den Keller ...
Stufe für Stufe
trittst Du mich
die Treppe hinab,
Deinen
Hans
*
* * *
* * *
....
.
.....
I Thetis
II Mein Herzblatt
a
III Auf der Wiese IV Aufschwung
............
b
V Mondnein
VII Ammonit
VI Mandala VIII Ischkiks
Baum
V-VII-VI: Mondnein-Triptychon
................
IX Tischtuchtisch X Das kalte Gold
XI Grüß dich, Vincent XII Wickel mir
den Hochzeitsturban
............
c
d
e
f
g
............ ...
XIII Erdfisch
XIV Nabel der Erde XV Ins Blaue
XVI Wasserschrift XVII Muschelgeburten
Gedichte
zu den großen quadratischen Ölgemälden
(IX
Tischtuchtisch)
XII
Wickel mir den Hochzeitsturban: Beim Anprobieren
86
Du
offne Frucht, du Pfirsich-Schoß
Aufs
Lager bäuchlings hingestreckt
Du
nymphensüße Meeresbraut
Der
Schaumgebornen Reiz - hast du
Dich
in den goldnen Apfel, den
Die
Zwietracht in die Runde warf
Hineingeschmiegt?
Nein, sag: wo steckst
Du
nur? - verführerisch versteckt?
87
88
89
Hochaufgebäumt
mit Rucksackbausch
Hoch
schweift die hochgeschwungne, die
Hochschwangre,
hoch mit Flügelarm
Und
ist ihr eigner Embryo,
Die
Nabelschnur geknotet hoch
Der
Kopf linksüber klug und schwer
Sie
brüstet sich in Himmelslust
Blüht
erst aus Blumennebeln auf
Aurora,
Morgenrot-Orange -
Sie,
Heos, Rosenfinger-Braut,
Zerbricht,
zerfaltet, splittert blau
Zur
Schattenzeichnung tageskühl
V,
VII, VI Mondnein-Triptychon:
90
VIII
Ischkiks Baum (Popol Wuch)
Jeder
sieht was andres hier in diesem Bild:
Augen
gläsern-rund aus Krokodil-Relief
Dessen
Haut in hundert Zellen ausgeprägt
Perlmuttschimmernd,
perlengleich, juwelenreich
Federschlangenvogel,
der Aztekengott
Schaut
dich seitlich an, auch sonst ein Götzentier
Oder
siehst du Landschaftsflächen grün verquirlt
In
der Krone des smaragdnen Weltenbaums?
Rund
die Früchte der Planeten, Sonnen, Mond
Augen
gläsern-rund schaun dich die Früchte an
So
stand Ischkik unterm Baum im Popol Wuch
Alter
Maya-Mythos: Ja, sie stand und sprach
Mit
den Kugelfrüchten, eine sprach sie an
Und
die war der Schädel eines Mannes, - der
Spuckte
auf die Hand der Jungfrau. Die gebar
Nach
neun Monden Zwillinge, ein Götterpaar.
(IX
Tischtuchtisch, ohne Gedicht)
91
Grüß
dich, Vincent, grüß die gelben
Felder,
Sonnen, Korn und Sand
Grüß
die Lichterwirbel-Blüten
Grüß
dich: An der Pinselrhythmik
Hab
ich, Vincent, dich erkannt
XII
Wickel mir den Hochzeitsturban!
Heilsames
Gestalten an
heilsamen Gestalten.
Der
Malprozeß ist aktive, findend-mitvollführte
Lebensschrift:
polyphone,
kontrapunktische und harmonisierende Ausarbeitung
der
verborgenen Strukturen, Wachstümer, Verkapselungen, Aufbrüche.
Die
Bilder sind abstrakt, lassen die Deutung offen,
so
daß sich Gesichter andeuten, Landschaften sich ausbreiten,
überall
Pflanzliches aufblättert, Pelziges hindurchschlüpft,
Planeten
durch schlammige Gewölke perlen,
Juwelenaugen
aus stumpfem Gestein hervorblicken,
Zellen
reich aufschäumen und karge Kerne umkammern,
Galaxien
durch Meeresbuchten strudeln,
Gesträuch
in Kapillarenfeinheit verrauscht.
XVII
Muschelgeburten
Es
ist, als könnte ein ursprünglich doch ziemlich süßer
Apfel
am
Ende plötzlich zu einem sauren reifen:
die
Strukturen, kühl-blasses Hellgrün in kratzigen Vibrationen,
lassen
den Betrachter frösteln.
Morgen
soll es ja ein heißer Tag werden -
sieh
da, mein Bild bringt Hilfe:
man
braucht es bloß anzuschauen
und
sich in seine wirren Labyrinthe zu verlieren,
die
Härchen richten sich auf (Sanskrit: "romaharsha"),
ein
Gefühl, wie wenn Fingernägel über eine Tafel kratzen,
schauert
einem über den Rücken.
Man
versteht das Chamäleon,
dessen
rauhe Runzelhaut sich dem anpaßt, was es sieht,
vielleicht
wird man zum blaublaßgrünen Avatar,
mit
frostig glühenden Flecken hier und da.
Sofja,
der dieses Bild (wie auch alle anderen) gewidmet ist - die
Sofja dieses "Hundertstern"-Gedichtezyklus -, trat am Montag, dem 25.
November, ohne anzuklopfen in dieses Bild ein und öffnete es auf diese
Weise; auch das Bild, das dahinter stand (Bild
XIV, "Nabel der Erde", s.o.), öffnete sie mit diesem Eintritt
ihres beschuhten Fußes. In dieser Fassung (bis zur Restaurierung)
sollten vielleicht beide Bilder den Titel "Herein!" haben!??
*
* * *
* * *
Mo
17.6.2013 Briefkasten
Die
man am Daumen schnell vorbei
Läßt
flattern - Daumenkino nennst
Du
dieses Blätter-Bild - Du kennst
Den
Zauber dieser Spielerei
Doch
mich reizt nicht so sehr die Schein-
Bewegung,
ihr Erscheinungs-Sinn
Nein
- durch die Seiten seh ich in
Den
Bindungsrücken, wo sich fein
Die
Blätter in der Achse einen, -
Hinten,
wo die Heftungsstelle
Still
verbleibt, wenn auch der schnelle
Wechsel
vorn vorbeijagt. Und
Im
Schattenglanz seh ich den Grund
Als
der Erscheinung Sein erscheinen
So
auch, wenn auf der Fahrt durch Ackerland
Ich
auf der Seite seh gefurchtes Feld
Den
Mais, in Reihen parallel gestellt
Ich
schau hindurch bis hin zum fernsten Rand
Zum
Horizont, zum Fluchtpunkt, der dort steht
Und
rase quer zur Reihenschar, berührt
Von
tausend Strahlen. Nie jedoch verliert
Der
Strahlenstern sich, weil er mit mir geht
So
schau durch Deine Wechsel ich Dein Ich
So
finde ich im Tatenfluchtpunkt Dich -
Steht
quer zu mir auch alles, was Du tust:
Vorbei
an mir fliegt, einer Landschaft gleich,
Dein
Laufen, Lernen, Tun begegnungsreich
Dahinter
schlafend-wach Du, Auge, ruhst
Do
20.6.2013 Briefkasten (für Fr 21.6.)
(bestimmt
kennst Du die Lösung längst)
Sag,
Liebste, bin ich noch ein Stern
Für
Dich? Nicht vielmehr ein Komet,
Ein
Schriftzug, der durch Himmel geht -
Durch
Sommers Helle, blaß und fern?
Der
Deinen Namen licht ins Licht
Der
unsichtbaren Sterne webt
Als
"COHRe", die unsterblich lebt?
Heißt
"Mädchen" griechisch "Kore" nicht?
Latinisiert
mit C? und dann
Vokal-verlängt
mit H? Wer kann
Das
Rätsel lösen? Wer erkor
Zum
"COHR" Dich und versteckte sich?
Verschlüsselte
ein Schussel Dich,
Der
dann den Schlüssel noch verlor?
95
Sa
22.6.2013 21.40 Uhr
Guten
Abend, liebe Isolde!
Oh
je, meine Gute, mich hats gepackt,
es
greift hart in mich hinein,
hält
fest und dreht seine Faust um,
mein
Herz drehts um, meine Eingeweide,
Gedärm,
Adern, Muskeln, Sehnen
all
das, was Du mit Namen kennst,
Und
meinen Verstand hats gepackt
es
greift hart in ihn hinein
ich
versteh nichts mehr, bin dumm, bin verwirrt
bitte
sag mir doch, hilf mir doch, erklärs mir genau:
Freunde
sollen wir bleiben - ist das so gemeint
wie
wenn entliebte Geliebte sagen: "Laßt uns Freunde bleiben"
und
meinen: "Verschwinde, verpiß dich",
Und
wenn Du sagst, ich hätte noch eine Chance bei Dir --
ach
Gott, ich wage gar nicht zu fragen, mir flattert das Herz
denn
fragen darfst, verblutender Tristan, du,
fragen
darfst du nicht so, daß Offnes du verschließt mit Erwartungen
und
verschließen darfst du Offnes nicht, wenn du fragst,
"ob
noch offen ist die Entwicklung?",
--
und keiner weiß die Zukunft? -- wirklich nicht?
Doch,
doch!, Dein Wille, meine Liebe, geht in die Zukunft,
und
Deinen Willen, den will ich fragen,
Dir
in Liebe zugeneigt und in Ehrfurcht tief geneigt vor Dir,
Deinen
ernsten Willen will ernst ich fragen
und
Du, Geliebte, frage Deinen Willen auch:
Gibt
es in Deinem Herzen, in Deinem Willen,
in
Deiner offenen Zukunft, Deiner Zukunftsoffenheit
gibt
es dort noch den Hans-Dein, mich?
Darf
still er sich hinhocken
und
in sich hören Deine Worte:
"Ich
bin dein, du mein, wir eins"
mein
Hans wirst du sein"?
96
Mi
26.6.2013
Wer
weiß denn schon, ja wer von allen Menschen weiß
Wie
schön er ist, und überhaupt: ob schön er ist?
Es
ist nicht schwer, die Tür zu öffnen und den Weg
In
den Palast zu weisen: Wahr ist hier der Spruch
Daß
Schönheit nur im Auge des Betrachters liegt -
Das
heißt: Im Spiegelbild des Selbstbetrachters nicht
Jedoch
im Blick des andern, der den Blick aufschließt
Der
zärtlich dich entdeckt, der dich als schön erkennt,
Der
dich verehrt, dich findet, der dich liebevoll
Hoch
einschätzt, der sich öffnet - denn er, der so schaut
Er,
der dein Auge öffnet dadurch, daß er sieht,
Der
öffnet deinem Auge sich und deinem Blick
Schön
wird der Mensch, indem er selbst die Schönheit sieht
Im
andern: schön wird er durch diese Offenheit
Das
kann berührungszart in einem Augenblick
Geschehn,
das kann in Wochen, Monden reifen - ja
Ich
habs erlebt, daß erst nach einem vollen Jahr
Dein
Schönheitsblitz mein Herz zerfetzte wie ein Schwert
Da
Schönheit durch die Augen strahlt, nach außen strömt,
Wie
kannst du wissen, daß du schön erscheinst und bist?
Es
sei denn, daß du in dem andern Schönheit siehst
Indem
du ihn erkennst: Wer liebevoll versenkt
Sich
in die Seele des Geliebten, öffnet selbst
Die
eigne Seele seinem liebevollen Blick
Fr
29.6.2013 17.45 Uhr
Gut,
liebe Sofja, gut ists, ja!
Ich
bin halbzwölf bis drei noch da
Dann
spiel ich auf dem Flügel im
Theater
klimperklang-blang-blim
Ab
drei. Bis dann verspeis den Rest
Von
Deinem Hans -- was übrig blieb
Von
ihm: Du weißt: er hat Dich lieb
Hat
kaum ein Auge zugemacht
Hat
immer "COHRe" nur gedacht
Hat
hingegeben durchgewacht
Die
ganze Purpurglut der Nacht
Die
violette Trance der Nacht
Das
blau-türkise Meer der Nacht
Du
Spötterin, Du Spielerin!
Dir
fliegt im Flug die Zeit dahin
Die
mir sich dehnt: Mein Haar wird grau
Und
Du verlachst mich jung und schlau
Dir
gilt als flüchtig hingeskizzt
Was
ich Dir seufzend schreib, als Scherz
Ja:
schmelz mein Lied, erlös den Witz
Aus
dem zu Stein gefrornen Schmerz
98
31.7.2013
10 Uhr
Wohin
auch immer Du gehst, Du Schöne,
Mir
Nächste, da lebst Du in mir
Wohin
auch immer ich gehe, ich sehne
Du
Fernste, mich immer nach Dir
Durchforsche
die Schriften
im Saum der Wände!
Ich
schrieb sie einst auf Dein Geheiß
Als
Künstler, ich formte mit eigenen Händen
Die
hundert geheimen Namen Dein:
Sieweich
(Eamollis) und Sonn'-ja und COHRe
Wer
liest sie? Sie scheinen verborgen im Schein
Der
Gitter: Drei Finger, da, dort, immer wieder -
Sie
zeigen Al-llah,
aller Namen Substanz
Die
ich Dir dort formte, Dein Mond-nein, Dein
Hans
99
2.8.2013
aus Amsterdam (Brief)
Ich
sah Dich, Sonn', ja sah von fern
Die
Strahlen, die von Dir ausgehn
Hab
Deine Uhr-Gestalt gesehn
Zwölf
Strahlen, Sofjas Sonnenstern
Tapetenmuster
kompliziert
Symmetrisch
endlos iteriert
In
der ich Deinen Namen fand
Sah
ich in Amsterdam - verrückt!
Im
Stedelijk-Museum - ja!
Ein
Bild von Deinem Bild war da:
Dein
Sonn'-ja-Stern! Ich war entzückt
100
8.8.2013
*
* * *
* * *
23.10.2013
10 Uhr
Frauja wirft ihr Stöckchen.
Hundnein
Rennt und bringts und wedelt
tüchtig
Frauja wirfts weit in die
Landschaft
Hundnein bringts und bellt:
"Wars richtig?"
Doch sie tritt und schlägt
den Kläffer
Dann wirft sie den Schlagstock
weiter
Schmeißt ihn ins
Total-Vergessen --
Dort lebt Hundnein dumm,
stumm, heiter ...
"Ach, der wird schon wiederkommen"
Denkt sie. "Kam doch immer
wieder
Kroch halbtot aus Rattenlöchern
Jaulte seine Demuts-Lieder"