Hans
Zimmermann
:
altsprachliche Quellen
:
Apuleius
: das Märchen von Amor und Psyche im "Goldenen Esel" (Metamorphoses 4,28-6,24)
Apuleius
(* 125 n.Chr. in Madaura, Africa)
Metamorphoses ("Der goldene Esel")
4,28 - 6,24
:
PSYCHE ET CVPIDO
=
Das Märchen von
Amor (Cupido) und Psyche
Teil 1: Met 4,28 - 4,35
zu Teil 2,
Teil 3,
Teil 4,
Teil 5,
Teil 6
und
Teil 7
[4.27,5 ff]
Tunc fletibus eius adsuspirans anus sic incipit:
"Bono animo esto, mi erilis,
nec vanis somniorum figmentis terreare.
Da seufzt die Räuber-Amme zu den Tränen des Mädchens und beginnt:
"Seid guten Mutes, Madame,
und laßt Euch nicht durch leere Traumgespinste schrecken!
nam praeter quod diurnae quietis imagines falsae perhibentur,
tunc etiam nocturnae visiones
contrarios eventus nonnumquam pronuntiant.
Denn abgesehen davon, daß schon Tagtraumbilder als falsch gelten,
deuten auch nächtliche Visionen
manchmal die gegenteiligen Geschehnisse in ihren Bildern an.
denique flere et vapulare et nonnumquam iugulari
lucrosum prosperumque proventum nuntiant,
contra ridere et mellitis dulciolis ventrem saginare
vel in voluptatem veneriam convenire
tristitie animi languore corporis
damnisque ceteris vexatum iri praedicabunt.
So versprechen Tränen und Prügel und manchmal auch Ermordung
Profit und glücklichen Gewinn.
Dagegen Lachen und Genuß von leckeren Süßigkeiten
oder die lustvolle Vereinigung in Liebe
sagen voraus, daß man mit seelischem und körperlichem Schmerz
und sonstigen Schäden gepeinigt werden solle.
sed ego te narrationibus lepidis
anilibusque fabulis
protinus avocabo."
et incipit:
Aber ich will Euch mit amüsanten Geschichten
und
Ammenmärchen
ablenken!"
und sie beginnt:
[4.28]
Erant in quadam civitate rex et regina;
hi tres numero filias forma conspicuas habuere.
sed maiores quidem natu, quamvis gratissima specie,
idonee tamen celebrari posse laudibus humanis credebantur,
at vero puellae iunioris tam praecipua, tam praeclara pulchritudo
nec exprimi ac ne sufficienter quidem laudari
sermonis humani penuria poterat.
Es waren einmal ein König und eine Königin, die lebten in einer Stadt
und hatten drei recht ansehnliche Töchter.
Die von Geburt älteren hätte man wohl, wenn ihr Aussehen auch aller Blicke auf sich zog,
gewiß noch mit menschlichen Lobeshymnen angemessen feiern können;
des jüngsten Kindes allüberragende, allberückende Schönheit aber
glücklich auszudrücken oder gar zur Genüge in süßen Sprüchen zu rühmen –
dazu wäre die Dürftigkeit menschlicher Rede niemals fähig gewesen.
multi denique civium et advenae copiosi,
quos eximii spectaculi rumor
studiosa celebritate congregabat,
inaccessae formonsitatis admiratione stupidi
et admoventes oribus suis dexteram
primore digito in erectum pollicem residente
ut ipsam prorsus deam Venerem venerabantur religiosis adorationibus.
Viele der Mitbürger also und zahlreiche Fremde,
welche das Gerücht von dieser ausnehmenden Sehens-Würdigkeit
zu eifriger Verehrungsfeier versammelte,
huldigten ihr, stumm-staunend-bestürzt über ihre unerreichte Wohlgestalt,
indem sie die rechte Hand zum Munde führten
und dabei den Zeigefinger auf den ausgestreckten Daumen bogen,
mit frommer Anbetung, als sei sie geradezu die Göttin Venus in Person.
iamque proximas civitates et attiguas regiones fama pervaserat
deam, quam caerulum profundum pelagi peperit
et ros spumantium fluctuum educavit,
iam numinis sui passim tributa venia
in mediis conversari populi coetibus,
vel certe rursum novo caelestium stillarum germine
non maria sed terras Venerem
aliam virginali flore praeditam pullulasse.
Und schon hatte sich in den nächsten Städten und Nachbargebieten die Kunde verbreitet,
die Göttin, welche die blaue Tiefe des Meeres geboren
und der Tau der schäumender Fluten genährt hat,
wandle jetzt, da sich allenthalben der Segen ihrer Gottheit ausbreite,
inmitten der innigen Vereinigungen des Volkes,
oder es hätten gewiß wieder aus einem neuen Keim himmlischer Tropfen
nun nicht Meere, sondern Länder
eine zweite Venus jugendlich ausgeknospen lassen.
[29] sic immensum procedit in dies opinio,
sic insulas iam proxumas et terrae plusculum provinciasque plurimas
fama porrecta pervagatur,
iam multi mortalium longis itineribus atque altissimis maris meatibus
ad saeculi specimen gloriosum confluebant.
So wächst unermessen ihr Ruf von Tag zu Tag,
durch die Inseln ringsum und die Weite des Landes, ja durch fernste Provinzen
macht ihre Kunde die Runde von Mund zu Munde;
schon sind viele der Sterblichen auf weiten Wegen und tiefsten Meerpfaden
zu diesem einzigartigen Weltwunder zusammengeströmt.
Paphon nemo, Cnidon nemo
ac ne ipsa quidem Cythera
ad conspectum deae Veneris navigabant;
sacra praetereuntur, templa deformantur,
pulvinaria proteruntur, caerimoniae negleguntur;
incoronata simulacra et arae viduae
frigido cinere foedatae.
Nach Paphos? Niemand! Nach Knidos? Nein,
selbst nach Kythera ist keiner mehr
gesegelt, die Göttin Venus zu schauen;
man läßt Opfer vergessen, Tempel verfallen,
Polster verschleißen, Kulte verkümmern,
läßt kranzlos die Bilder und Opferaltäre verwaist,
mit kalter Asche geschändet.
puellae supplicatur
et in humanis vultibus deae tantae numina placantur,
et in matutino progressu virginis
victimis et epulis
Veneris absentis nomen propitiatur,
iamque per plateas commeantem
populi frequenter floribus sertis et solutis adprecantur.
Vor einem Kind beugt man die Knie,
und im Menschenantlitz sucht man die Huld der gewaltigen Gottheit;
und beim morgendlichen Ausgang des Mädchens
ehrt man mit Opfer und Mahl
den Namen der Venus – ohne daß sie selbst geehrt wird;
und schon wenn sie nur über den Platz kommt,
beten die Massen des Volkes zu ihr, Blumen in Haaren und Händen.
haec honorum caelestium
ad puellae mortalis cultum inmodica translatio
verae Veneris vehementer incendit animos
et inpatiens indignationis capite quassanti
fremens altius sic secum disserit:
Diese maßlose Übertragung himmlischer Ehren
auf den Kult um ein sterbliches Kind
entzündet heftig den Zorn der wahren Venus,
und, nicht mehr Herrin ihrer Entrüstung, mit Kopfschütteln,
allzu hoch aufschnaubend hält sie sich selbst folgende Rede:
[30] 'En rerum naturae prisca parens, en elementorum origo initialis,
en orbis totius alma Venus,
quae cum mortali puella partiario maiestatis honore tractor
et nomen meum caelo conditum terrenis sordibus profanatur!
nimirum communi numinis piamento
vicariae venerationis incertum sustinebo
et imaginem meam circumferet puella moritura.
"Ja du, der Natur Geburtsschoß, ja du, der Elemente Urquelle,
ja du, aller Welt Nährmutter, Venus!
Mit einem sterblichen Kind habe ich die Ehre meine Hoheit zu teilen,
und mein Name, im Himmel festgegründet, wird mit irdischer Gemeinheit beschmutzt!
Na klar: Bei gleicher Namensanrufung
soll ich einen unbestimmt stellvertretenden Liebesdienst übernehmen,
und mein Bild unter die Leute bringen – wird ein Kind, das eines Tages sterben muß!
frustra me pastor ille,
cuius iustitiam fidemque magnus comprobavit Iuppiter,
ob eximiam speciem tantis praetulit deabus.
sed non adeo gaudens ista,
quaecumque est, meos honores usurpabit:
iam faxo
huius etiam ipsius inlicitae formonsitatis paeniteat.'
Umsonst hat mich jener Hirt,
dessen Gerechtigkeit und redlichen Sinn der große Jupiter bestätigte,
wegen meiner ausnehmenden Schönheit Göttinnen von Rang vorgezogen.
Aber die Person wird nichts zu lachen haben,
gleich wer sie auch sei, die sich meine Ehren anmaßt!
Ich werde schon dafür sorgen,
daß sie sich eben dieser unzulässigen Schönheit schämt!"
Et vocat confestim puerum suum
pinnatum illum et satis temerarium,
qui malis suis moribus contempta disciplina publica,
flammis et sagittis armatus,
per alienas domos nocte discurrens
et omnium matrimonia corrumpens
impune committit tanta flagitia et nihil prorsus boni facit.
Und eilends ruft sie ihren Jungen,
den berühmten Geflügelten und rechten Draufgänger,
der mit seinen schlechten Manieren bürgerliche Zucht mißachtet,
sich mit Flammen und Pfeilen bewaffnet,
mitten in der Nacht durch fremde Häuser geistert,
allen Leuten die Ehe verdirbt,
der ungestraft derlei Schandtaten begeht und überhaupt nichts Gutes anstellt.
hunc, quanquam genuina licentia procacem,
verbis quoque insuper stimulat
et perducit ad illam civitatem
et Psychen – hoc enim nomine puella nuncupabatur –
[31] coram ostendit
et tota illa perlata de formonsitatis aemulatione fabula
gemens ac fremens indignatione:
Obwohl der schon die geborene Frechheit selbst ist,
so hetzt sie ihn noch überdies mit Worten auf,
führt ihn zu jener Stadt
und gibt ihm Psyche – denn mit diesem Namen wurde das Kind genannt –
leibhaft zu sehen;
und sobald sie ihm die ganze Geschichte vom Schönheitswettkampf berichtet hat,
sagt sie stöhnend, voller Unmut:
'per ego te,' inquit, 'maternae caritatis foedera deprecor,
per tuae sagittae dulcia vulnera,
per flammae istius mellitas uredines,
vindictam tuae parenti,
sed plenam tribue
et in pulchritudinem contumacem severiter vindica
idque unum et pro omnibus unicum volens effice:
"Beim Band der Mutterliebe flehe ich dich an,
bei deines Pfeiles süßen Wunden,
bei deiner Flamme honigsüßer Entzündung:
verschaffe Genugtuung deiner Mutter,
aber schonungslos,
und verfahre streng gegen die hochmütige Schönheit,
sei so gut und bring bloß dies, statt allem einzig dies zuwege:
virgo ista amore fraglantissimo teneatur hominis extremi,
quem et dignitatis et patrimonii simul et incolumitatis ipsius Fortuna damnavit,
tamque infirmi ut per totum orbem non inveniat miseriae suae comparem.'
Das Mädchen da soll in der heißesten Liebe zum gemeinsten Menschen verbrennen,
einem, dessen Ehre und Besitz und auch Gesundheit vom eigenen Schicksal verflucht ist
und so tief steht, daß er auf der ganzen Erde an Jammer nicht seinesgleichen findet!"
Sic effata et osculis hiantibus filium
diu ac pressule saviata proximas oras reflui litoris petit
plantisque roseis vibrantium fluctuum summo rore calcato
ecce iam profundi maris sudo resedit vertice
et ipsum – quod incipit velle, set statim, quasi pridem praeceperit –
Sobald sie sich so ausgesprochen und mit weit geöffneten Lippen den Sohn
lange und fest geküßt hat, eilt sie zum nächsten Strand der brandenden Küste
und mit rosigen Sohlen betritt sie den Tau oben auf den vibrierenden Fluten
und siehe: schon läßt sie sich nieder auf der heiteren Wölbung des tiefen Meeres
und da – was sie kaum schon will, nein sofort, als habe sie es bereits befohlen –
non moratur marinum obsequium:
adsunt Nerei filiae chorum canentes
et Portunus caerulis barbis hispidus
et gravis piscoso sinu Salacia
et auriga parvulus delphini Palaemon;
ihr Meeresgefolge zögert nicht:
da sind die Nereustöchter, sie singen im Chor,
und Portunus, verzottelt mit blauem Bart,
und schwer von der Fischlast Salacia,
und der putzige Lenker des Delphins, Palaemon;
iam passim maria persultantes Tritonum catervae
hic concha sonaci leniter bucinat,
ille serico tegmine flagrantiae solis obsistit inimici,
alius sub oculis dominae speculum progerit,
curru biiuges alii subnatant;
schon springen allseits durchs Meer Tritonenscharen
der eine bläst sanft das tönende Muschelhorn
der andere schützt mit seidenem Schirm vor dem Brand der feindlichen Sonne,
ein dritter hält der Herrin einen Spiegel vor die Augen,
wieder andere schwimmen unten vorm Wagen zu zweit;
talis ad Oceanum pergentem Venerem comitatur exercitus.
so begleitet ihr Heer Venus bei ihrer Ausfahrt auf den Ozean.
weiter zu Teil 2,
Teil 3,
Teil 4,
Teil 5,
Teil 6
und
Teil 7
James Joyce / Arno Schmidt: Der Triton mit dem Sonnenschirm
Hesiod : Theogonie
(gesamt, griech./dt.)
:
Geburt der Aphrodite
Euripides: Die Bakchen /
Philostrat: Dionysos-Szenen
Novalis:
Klingsors
Märchen von Fabel und Amor
(Heinrich von Ofterdingen)
Hesiod: Geburt der Aphrodite (Theogonie)
*
Homerischer Aphrodite-Hymnus
Das Hohe Lied
:
"Wo ist denn dein Freund hingegangen, du Schönste?", "
Morgenröte im Aufgang"
sommerliche Gartenbilder
(Wandmalereien)
in der Villa der Augustus-Gattin Livia
(Rom)
Raffael:
Der Parnaß
(Fresco: Apollon mit den Musen)
dom./
index /
Rundbriefe
Altsprachen
/ Philosophie
Genesis:
Josef /
Schatzhöhle
Sanskrit /
R
gveda /
Vedânta
Mondnein:
Aquar./
Musik
Homer:
Odyss.
/ Dionysos
Psalmen /
Hiob /
Weisheit
Upani
sh
ads
/ Yoga
/ Gîtâ
Feire Fiz:
Lyrik /
Mandala
Hesiod /
Botticelli /
Nietzsche
Elias/
Jes./
Jer./
Ez./
Daniel
Mahâbhârata /
Râmâya
n
a
Tannhäuser /
Rheingold
Euripides:
Bakchai
/
Philostr.
Hohes Lied /
Lilie /
Senfkorn
Buddha,
Ajanta /
Lao-tse
Wartburgkrieg
/ Tristan
archaisch:
Herakles/
Athene
Mt.-/
Mk.-/
Lk.-/
Joh.-
Evang.
Koran /
Taj Mahal
/ Indien
Parzival /
Parsifal:
der Gral
Raffael:
Philosophenschule
Gott ist Licht /
Gott ist Liebe
arab.Schr./
Ghazzali
/ Sufis
Was ist
Musik? /
Licht?
Heraklit /
Parmen./
Pythag.
1.Kor./
Eph.
/ Kol./
Hebr.-
Br.
liber de causis /
Der STEIN
Geist? /
Sprache? /
Zeit?
Platon:
Timaios /
Menon
Jakobus-/
Ps.Mt.-/
Nikod.-
Ev.
Cordoba /
Alhambra
/
Gaudi
Chym.Hochz./
Jakob Böhme
Aristoteles: Metaph./
Proklos
Perlenlied /
Die Berufe Jesu
Mosaiken:
Africa /
Ravenna
Pascal /
Leibniz:
Monaden
Somn.Scip./
Plutarch:
E/
Isis
Qumran /
Apokal./
dies irae
Hos.Lukas /
9 Engelchöre
Kant:
Raum,
Zeit,
Antinom.
Vergil:
4.Ekl.
/
Ovid:
Flora
Marius Victorinus /
Boethius
B.of Kells /
Chartres:
Rosen
Novalis /
Schelling /
Runge
Censorinus /
Amor & Psyche
Anselm:
Monolog./
Proslog.
Van Eyck /
Isenheimer Altar
Xanadu
/
Kafka /
Éluard
Physiolog./
Dame & Einhorn
Thomas Aqu.:
Gottesbeweis
Honorius /
Gervasius:
otia
Rudolf Steiner:
Theosophie
Phoenix /
Machandelboom
Sphärenmusik /
Sternbilder
mappa mundi /
Sonnenuhr
Rundbriefe
2002
/ 2003
/ 2004
/ 2005
/ 2006
/ 2007
/ 2008
/ 2009
/ 2010
/ 2011
/ 2012/13
*
emaille
?!
~ ~ ~
Hans
Zimmermann
:
altsprachliche Quellen
:
Apuleius
: das Märchen von Amor und Psyche im "Goldenen Esel" (Metamorphoses 4,28-6,24)
zurück
Seitenanfang