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Wolfram von Eschenbach, 
Parzivâl Abschnitt 233-244:  
in der Gralsburg (2) 
nach der Ausgabe von Karl Lachmann
Übersetzung  
ins Neuhochdeutsche 
(Rohbau, wortbezogen)
zur "Funktion der Gralssuche im Parzival" * "lapsit exillis" – "lapis exilis": die Namensvarianten des Grals
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    233 
Nâch den kom ein herzogîn     
und ir gespil. zwei stöllelîn     
si truogen von helfenbein.     
ir munt nâch viures roete schein.     
die nigen alle viere:     
zwuo satzten schiere     
vür den wirt die stollen.     
dâ wart gedient mit vollen.     
die stuonden ensamt an eine schar     
und wâren alle wol gevar. 
233 
Nach ihnen kam eine Herzogin     
und ihre Begleiterin; zwei Bänkchen     
trugen sie von Elfenbein.     
Ihr Mund schien wie Feuerröte.     
Die verneigten sich alle vier;     
zwei setzten sogleich     
vor den Wirt die Bänke.     
Da wurde in Vollendung bedient.     
Sie stellten sich zusammen zu einer Schar     
und waren alle wohlgestaltet. 
den vieren was gelîch ir wât.     
seht wâ sich niht versûmet hât     
ander vrouwen vierstunt zwuo.     
die wâren dâ geschaffet zuo.     
viere truogen kerzen grôz:     
die andern viere niht verdrôz,     
sind trüegen einen tiuren stein,     
dâ tages diu sunne lieht durch schein.     
dâ vür was sîn name erkant:     
ez was ein grânât jâchant,     
beide lanc und breit.     
durch die lîhte in dünne sneit     
swer in ze eime tische maz;     
dâ obe der wirt durch rîchheit az.     
si giengen harte rehte     
vür den wirt al ehte,     
gein nîgen si ir houbet wegten.     
viere die taveln legten     
ûf helfenbein wîz als ein snê,     
stollen die dâ kômen ê.    
    234 
Mit zuht si kunden wider gên,     
zuo den êrsten vieren stên.     
an disen aht vrouwen was     
röcke grüener denne ein gras,     
von Azagouc samît,     
gesniten wol lanc unde wît.     
dâ mitten si zewamne twanc     
gürteln tiur smal unde lanc.     
diese ahte juncvrouwen cluoc,     
ieslîchiu ob ir hâre truoc     
ein cleine blüemîn schapel. 
Diese vier trugen das gleiche Kleid.     
Seht, ohne jede Verzögerung     
weitere Frauen, viermal zwei.     
Die waren dazu geschaffen:     
Vier trugen große Kerzen,     
die anderen vier verdroß es nicht,     
einen teuren Stein zu tragen,     
durch den tags das Sonnenlicht scheinen konnte.   
Ein Namen war für ihn bekannt:     
Es war ein Granat-Hyazinth,     
sowohl lang als auch breit.     
Zu seiner Leichtigkeit hatte ihn dünn geschnitten,     
der ihn zu einem Tische ausgemessen hatte.     
Von ihm aß der Wirt, seines Reichtums wegen.     
Sie schritten völlig korrekt     
vor den Wirt alle acht,     
sie verneigten sich vor ihm, beugten ihr Haupt;     
vier legten die Tafel     
auf das Elfenbein, weiß wie Schnee,     
auf die Bänke, die vorher dahin gekommen ware   
234 
Mit Anstand wandten sie sich wieder     
und stellten sich zu den ersten vier.     
Diese acht Frauen trugen     
Röcke grüner als Gras,     
aus Samt von Azagauk,     
geschnitten ziemlich lang und weit.     
Dort in der Mitte hielten sie zusammen     
Gürtel, kostbar, schmal und lang.     
Diese acht Jungfrauen klug     
trugen eine jede auf ihrem Haar     
einen kleinen Blumenkranz. 
der grâve Iwân von Nônel     
unde Jernîs von Rîl,     
jâ was über manege mîl     
ze dienste ir tohter dar genomen:     
man sach die zwuo vürstîn komen     
in harte wünneclîcher wât.     
zwei mezzer snîdende als ein grât     
brâhten si durch wunder     
ûf zwein twehelen al besunder.     
daz was silber herte wîz:     
dar an lag ein spaeher vlîz:     
im was solh scherpfen niht vermiten,     
ez hete stahel wol versniten.     
vor dem silber kômen vrouwen wert,     
der dar ze dienste was gegert:     
die truogen lieht dem silber bî     
vier kint vor missewende vrî.     
sus giengen si alle sehse zuo:     
nu hoert waz ieslîchiu tuo.     
    235 
Si nigen. ir zwuo dô truogen dar     
ûf die taveln wol gevar     
daz silber, unde leiten ez nider.     
dô giengen si mit zühten wider     
zuo den êrsten zwelven sân.     
ob ichz geprüevet rehte hân,     
hie sulen ahzehen vrouwen stên. 
Der Graf Iwan von Nonel     
und Jernis von Ril,     
ja, es waren über viele Meilen hinweg     
ihre Töchter in Dienst genommen worden;     
man sah beide Fürstinnen kommen     
in überaus herrlichen Kleidern.     
Zwei Messer schneidend wie ein Grat     
brachten sie, ein Wunder zu sehen,     
auf zwei Tüchlein, jede trug eins.     
Das war Silber, hart, weiß;     
darin steckte ein kluger Fleiß:     
man vermißte bei ihm nicht solche Schärfe,     
daß es sogar Stahl geschnitten hätte.     
Vor dem Silber schritten werte Frauen,     
die dort zum Dienste erwählt waren,     
die trugen Lichte zu dem Silber,     
vier Kinder, untadelige.     
So gingen sie alle sechs herzu.     
Nun hört, was eine jede tue!  
 235 
Sie verneigten sich; ihrer zwei trugen daher     
auf die Tafel, die schöngestaltete,     
das Silber und legten es auf ihr nieder.     
Dann kehrten sie mit Anstand wieder     
zu den ersten zwölf zurück.     
Wenn ich es recht geprüft habe,     
müssen hier jetzt achtzehn Frauen stehen. 
âvoy nu siht man sehse gên       
in waete die man tiure galt:       
daz was halbez plîalt,       
daz ander pfell von Ninnivê.       
diese unt die êrsten sehse ê       
truogen zwelf röcke geteilt,       
gein tiurer kost geveilt.  
 
Ah vois! Nun sieht man sechs einherschreiten     
in Kleidern, die man teuer erkauft hatte:     
die waren zur Hälfte golddurchwirkte Seide,     
zur andern Hälfte Pfellelseide von Ninive.     
Diese und die ersten sechs von vorher     
trugen zwölf Röcke, zweifarbig geteilt,     
für teuren Preis erstanden.  
 
lapsit exillîs
 
nâch den kom diu künegîn.        
ir antlütze gap den schîn,        
si wânden alle ez wolde tagen.        
man sach die maget an ir tragen        
pfellel von Arâbî.        
ûf einem grüenen achmardî        
truoc si den wunsch von pardîs,        
bêde wurzeln unde rîs.        
daz was ein dinc, daz hiez der Grâl,     
erden wunsches überwal.        
Repanse de schoy si hiez,        
die sich der grâl tragen liez.        
der grâl was von sölher art:        
wol muose ir kusche sîn bewart,        
diu sîn ze rehte solde pflegen:        
diu muose valsches sich bewegen.   
    236 
Vor dem grâle kômen lieht:       
diu wârn von armer koste niht;       
sehs glas lanc lûter wolgetân,       
dar inne balsem der wol bran.       
dô si kômen von der tür       
ze rehter mâze alsus her vür,       
mit zühten neic diu künegîn       
und al diu juncvröuwelîn       
die dâ truogen balsemvaz.       
diu küngîn valscheite laz       
sazte vür den wirt den grâl.       
daz maere giht daz Parzivâl       
dick an si sach unt dâhte,       
diu den grâl dâ brâhte:       
er hete ouch ir mantel an.       
mit zuht die sibene giengen dan       
zuo den ahzehen êrsten.       
dô liezen si die hêrsten       
zwischen sich; man sagte mir,       
zwelve iewederthalben ir.       
diu maget mit der crône       
stuont dâ harte schône. 
Nach ihnen kam die Königin.      
Ihr Antlitz gab einen Glanz,      
sie meinten alle, es wollte tagen.      
Man sah das Mädchen an sich tragen      
Pfellelseide aus Arabien.      
Auf einem grünen Achmardiseidenkissen      
trug sie den Wunschtraum des Paradieses,      
beides in einem: Wurzeln und Keimtrieb;      
das war ein Ding, das hieß der Gral:      
der Erden-Wunscherfüllung Überfluß      
Repanse de Schoye sie hieß,      
von der sich der Gral tragen ließ.      
Der Gral war von solcher Art:      
Wohl mußte die ihre Reinheit bewahren,      
die ihn auf richtige Art pflegen sollte;      
die mußte sich alles Falschen entschlagen.   
 236 
Vor dem Gral kamen Lichte,     
die waren nicht wenig kostbar;     
sechs Gläser, lang, lauter, gutgefertigt,     
und darin Balsam, der sauber brannte.     
Als sie von der Türe her kamen     
in genauer Ordnung also hervor     
da verneigte sich mit Anstand die Königin     
und all die Jungfräulein,     
die da Balsamgefäße trugen.     
Die Königin, die ohne Falsch war,     
setzte vor den Wirt den Gral.     
Die Kunde geht, daß Parzival     
sie fasziniert ansah und daran dachte:     
die den Gral dort brachte,     
deren Mantel habe er auch an.     
Mit Anstand gingen die sieben dann   
zu den ersten achtzehn.     
Dort ließen sie die hehrste     
zwischen sich; man sagte mir,     
zwölf jeweils zu jeder Seite.     
Das Mädchen mit der Krone     
stand da überaus schön. 
swaz ritter dô gesezzen was       
über al den palas,       
den wâren kameraere       
mit guldîn becken swaere       
ie viern geschaffet einer dar,       
und ein junchêrre wol gevar       
der eine wîze tweheln truoc.       
man sach dâ rîcheit genuoc.   
    237 
Der taveln muosen hundert sîn,       
die man dâ truoc zer tür dar în.       
man sazte ieslîche schiere       
vür werder ritter viere:       
tischlachen var nâch wîze       
wurden drûf geleit mit vlîze.       

der wirt dô selbe wazzer nam:       
der was an hôhem muote lam.       
mit im twuoc sich Parzivâl.       
ein sîdîn tweheln wol gemâl       
die bôt eins grâven sun dernâch:       
dem was ze knien vür si gâch.       

swâ dô der taveln keiniu stuont,       
dâ tet man vier knappen kunt       
daz si ir dienens niht vergaezen       
den die drobe saezen.       
zwêne knieten unde sniten:       
die andern zwêne niht vermiten,       
sine trüegen trinken und ezzen dar,       
und nâmen ir mit dienste war.       

hoert mêr von rîchheite sagen.       
vier karrâschen muosen tragen       
manec tiure goltvaz       
ieslîchem ritter der dâ saz.       
man zôch si ze den vier wenden.       
vier ritter mit ir henden       
man si ûf die taveln setzen sach.       
ieslîchem gieng ein schrîber nâch,       
der sich dar zuo arbeite       
und si wider ûf bereite,  

    238 
So dâ gedienet waere.      

nu hoert ein ander maere.       
hundert knappen man gebôt:       
die nâmen in wîze tweheln brôt       
mit zühten vor dem grâle.       
die giengen al zemâle       
und teilten vür die taveln sich.       
man sagte mir, diz sage ouch ich       
ûf iuwer iesliches eit,       
daz vor dem grâle waere bereit       
(sol ich des iemen triegen,       
sô müezt ir mit mir liegen)       
swâ nâch jener bôt die hant,       
daz er al bereite vant        
spîse warm, spîse kalt,       
spîse niuwe unt dar zuo alt,       
daz zam unt daz wilde.       
esn wurde nie kein bilde,       
beginnet maneger sprechen.       
der will sich übel rechen:       
wan der grâl was der saelden vruht,       
der werlde süeze ein solh genuht,       
er wac vil nâch gelîche       
als man saget von himelrîche.    

in cleiniu goltvaz man nam,       
als ieslîcher spîse zam,       
salssen, pfeffer, agraz.       
dâ het der kiusche und der vrâz       
alle gelîche genuoc.       
mit grôzer zuht manz vür si truoc.  

    239 
Môrâz, wîn, sinôpel rôt,       
swâ nâch den napf ieslîcher bôt,       
swaz er trinkens kunde nennen,       
daz mohte er drinne erkennen       
allez von des grâles craft.       
diu werde geselleschaft       
hete wirtschaft von dem grâl. 
Was da an Rittern saß     
überall in dem Palast,     
denen waren Kämmerer     
mit schweren Goldbecken     
für vier je einer zugeteilt,     
und ein Jungherr, wohlgestaltet,     
der ein weißes Tüchlein trug.     
Man sah da Pracht zu genüge.     
 237 
Tafeln müssen da hundert gewesen sein,   
die man zur Türe herein trug.     
Man setzte eine jede sofort     
vor je vier der edlen Ritter;     
Tischlaken von weißer Farbe     
wurden drauf gelegt mit Sorgfalt.     

Der Wirt nahm sich da selbst Wasser;     
der war an hohem Mut erlahmt.     
Mit ihm zugleich wusch sich Parzival;     
ein Seidentüchlein, hübsch bemalt,     
das bot ein Grafensohn ihnen an,     
der war ganz eifrig, vor ihnen knien zu dürfen.     

Wo dort der Tafeln keine stand,     
da wies man vier Knappen an,     
daß sie ihres Dienstes nicht vergäßen,     
an denen, die droben saßen.     
Zwei knieten und schnitten vor;     
die andern zwei machten keine Pause,     
sie trugen Trinken und Essen herbei,     
und nahmen ihre Bedienung wahr.     

Hört noch mehr, was von der Pracht zu sagen ist:     
Vier Wagen mußten tragen     
hoch kostbare Goldgefäße     
zu einem jeden Ritter, der da saß.     
Man zog sie längs der vier Wände.     
Vier Ritter mit ihren Händen     
sah man diese auf die Tafeln setzen.     
Jedem folgte ein Schreiber nach,     
der dafür Sorge trug,  
sie wieder aufzubereiten,  

 238 
sobald sie ihren Dienst getan hatten.  

Nun hört die weitere Kunde:     
Hundert Knappen gebot man:   
Sie nahmen in weißen Tüchlein Brot     
mit Anstand vor dem Grale.     
Sie gingen allzumal     
und verteilten sich vor den Tafeln.     
Man sagte mir, und auch ich sage es     
auf Euren, eines jeglichen, Eid,     
daß vor dem Gral fertig bereitlag     
(soll ich jemals Falsches sagen,     
so müß Ihr mit mir zusammen lügen)     
wonach einer die Hand ausstreckte,     
so daß er es fertig zubereitet vorfand:     
Speise warm, Speise kalt,     
Speise neu und dazu noch alt,     
zahmes und wildes Getier -     
das käme niemals zustande,     
beginnt mancher zu sagen.     
So einer will sich übel geltend machen.     
Denn der Gral war Frucht aller Seligkeit,     
aller Erdensüße eine solche Erfüllung:     
er wog dem sehr gleich,     
was man vom Himmelreich sagt.     
   
In kleinen Goldgefäßen nahm man,    
was jeglicher Speise ziemte:    
Soßen, Pfeffer, saure Brühe.    
Da hatten der Enthaltsame und der Vielfraß   
alle gleicherweise zu Genüge.    
Mit großem Anstand trug man es ihnen vor.    

239 
Maulbeerwein, Wein, roter Sirupwein -    
wonach ein jeder seinen Becher ausstreckte,    
was einer zu trinken nennen konnte,    
das durfte er darin wiederfinden -    
alles von des Grales Kraft.    
Die edle Gesellschaft    
hatte ihre Bewirtung von dem Gral her. 
wol gemarcte Parzivâl    
die rîcheit unt daz wunder grôz:     
durch zuht in vrâgens doch verdrôz.     

er dâhte "mir riet Gurnamanz     
mit grôzen triuwen âne schranz,     
ich sollte vil gevrâgen niht.     
waz ob mîn wesen hie geschiht     
die mâze als dort bî im?     
âne vrâge ich vernim     
wie ez dirre massenîe stêt."     

in dem gedanke nâher gêt     
ein knappe, der truog ein swert:     
des balc was tûsent marke wert,     
sîn gehilze was ein rubîn,     
ouch möhte wol diu clinge sîn     
grôzer wunder urhap.     
der wirt ez sîme gaste gap.     
der sprach "hêrre, ich brâhtz in nôt     
in maneger stat, ê daz mich got     
an dem lîbe hât geletzet.     
nu sît dermit ergetzet,     
ob man iuwer hie niht wol enpflege.     
ir mugetz wol vüeren alle wege:    

    240 
Swenne ir geprüevet sînen art,     
ir sît gein strîte dermite bewart."     
 
ôwê daz er niht vrâgte dô!     
des bin ich vür in noch unvrô.     
wan do erz enpfienc in sîne hant,     
dô was er vrâgens mit ermant.     
ouch riuwet mich sîn süezer wirt,     
den ungenâde niht verbirt,     
des im von vrâgen nu waere rât. 
Wohl bemerkte Parzival    
den Prunk und das große Wunder;    
doch anstandshalber  wagte er nicht zu fragen.    
    
Er dachte: „Mir riet Gurnemanz   
hochvertraulich unverbrüchlich    
ich sollte nicht viel fragen.    
Ob denn mein Dasein hier ebenso verläuft,    
wie dort bei ihm?    
Ohne Frage vernehme ich    
wie es um diesen Hofstaat steht.“   
   
Während er dies dachte kam ein    
Knappe näher, der trug ein Schwert,    
dessen Scheide war tausend Mark wert;    
sein Griff war ein Rubin,    
auch mochte wohl die Klinge    
großer Wunder Ursache sein.    
Der Wirt gab es seinem Gaste    
und er sprach: „Herr, ich trug es im Kampf    
an mancher Statt, bevor mich Gott    
am Leibe geschlagen hat.    
Nun gebe dies Euch Genugtuung,    
wenn man Euch hier nicht gut bedient hat.    
Möget Ihr es allerwege gut führen!    
240 
Wenn Ihr seine Art geprüft habt,    
seid Ihr gegen Angriffe dadurch beschützt.“   

O weh, daß er da nicht fragte!    
Darum bin ich für ihn noch heute traurig.    
Denn als er es in seine Hand empfing,    
war er damit ermahnt, zu fragen.    
Auch tut es mir leid um seinen lieben Wirt,    
den die Ungnade nicht verschont,    
von der ihm durch Fragen Rettung geworden wäre.   

genuoc man dâ gegeben hât:     
die es pflâgen, die griffenz an,     
si truogen daz gerüste wider dan.     
vier karrâschen man dô luot.     
ieslich vrouwe ir dienest tuot,     
ê die jungsten, nu die êrsten.     
dô schuofen si aber die hêrsten     
wider zuo dem grâle.     
dem wirte und Parzivâle     
mit zühten neic diu künegîn     
und al diu juncvröuwelîn.     
si brâhten wider în zer tür     
daz si mit zuht ê truogen vür. 
Genug hatte man da gegeben;    
die dort bedienten, griffen zu,    
sie trugen die Geräte wieder von dannen.    
Vier Wagen belud man da;    
jegliche Frau verrichtete ihren Dienst,    
die vorher die letzten waren, nun als erste.    
Da geleiteten sie aber die hehrste    
wieder zum Gral.    
Vor dem Wirt und Parzival    
verneigte sich mit Anstand die Königin    
und all die Jungfräulein.    
Sie brachten wieder hinein zur Tür,    
was sie zuvor anmutig hervorgetragen hatten. 
Parzivâl in blicte nâch.     
an eime spanbette er sach     
in einer kemenâten,     
ê si nâch in zuo getâten,     
den aller schoensten alten man     
des er künde ie gewan.     
ich mag ez wol sprechen âne guft,     
er was noch grâwer dan der tuft.     
    241 
Wer der selbe waere,     
des vreischet her nâch maere.     
dar zuo der wirt, sîn burc, sîn lant,     
diu werdent iu von mir genant,     
her nâch sôdes wirdet zît,     
bescheidenlîchen, âne strît     
unde ân allez vür zogen.     
ich sage die senewen âne bogen.     
diu senewe ist ein bîspel.     
nu dunket iuch der boge snel:     
doch ist sneller daz diu senewe jaget.     
ob ich iu rehte hân gesaget,     
diu senewe gelîchet maeren sleht:     
diu dunkent ouch die liute reht.     
swer iu saget von der krümbe,     
der will iuch leiten ümbe.     
swer den bogen gespannen siht,     
der senewen er der slehte giht,     
man welle si zer biuge erdenen     
sô si den schuz muoz menen.     
swer aber dem sîn maere schiuzet,     
des in durch nôt verdriuzet:     
wan daz hât dâ ninder stat,     
und vil gerûmeclîchen pfat,     
ze einem ôren in, ze dem andern vür.     
mîn arbeit ich gar verlür,     
ob den mîn maere drunge:     
ich sagte oder sunge,     
daz ez noch baz vernaeme ein boc     
oder ein ulmiger stoc. 
Parzival blickte ihnen nach.    
Da sah er auf einem Spannbett    
in einer Kemenate,    
bevor sie die Tür hinter sich zumachten,    
den allerschönsten alten Mann,    
den er je bemerkt hatte;    
ich darf es wohl ohne Übertreibung sagen:    
er war noch grauer als der Nebel.    
241 
Wer derselbe sei,    
dessen Kunde erfragt hernach;    
dazu auch der Wirt, seine Burg, sein Land,    
die werden Euch von mir genannt    
nachher, wenn es an der Zeit ist,    
ausführlich, ohne Hin und Her    
und ohne jede Verzögerung.    
Ich spreche die Sehne ohne Bogen.    
die Sehne ist ein Beispiel:    
Nun dünkt Euch der Bogen schnell;    
doch ist schneller, wie die Sehne jagt.    
Wenn ich Euch recht gesprochen habe,    
dann ist die Sehne der schlichten Kunde gleich;    
die halten auch die Leute für richtig.    
Wer Euch mit der Krümmung spricht,    
der will Euch einen Umweg leiten.    
Wer den Bogen gespannt sieht,    
der ordnet die Sehne der Schlichtheit zu,    
es sei denn, man wolle sie zum Winkel dehnen,    
wenn sie den Schuß vorwärtstreiben soll.    
Wenn aber einer seine Kunde auf den schießt,    
der notwendigerweise an ihr Mißfallen hat,    
dann findet das da keine Stätte    
und viel geräumigen Weg:    
zum einen Ohr herein, zum andern heraus.    
Meine Mühe wäre gar an dem verloren,    
auf den meine Kunde eindränge -    
gleich, ob ich spräche oder sänge -    
so daß es noch besser ein Bock vernähme    
oder ein morscher Baumstumpf. 
    242 
Ich will iu doch baz bediuten     
von disen jâmerbaeren liuten.     
dar kom geriten Parzivâl,     
man sach dâ selten vröuden schal,     
ez waere bûhurt oder tanz:     
ir clagendiu staete was sô ganz,     
sine kêrten sich an schimpfen niht.     
swâ man noch minner volkes siht,     
den tuot etswenne vröude wol:     
dort wârn die winkel alle vol,     
und ouch ze hove dâ man si sach.     

der wirt ze sîme gaste sprach     
"ich waen man iu gebettet hât.     
sît ir müede, so ist mîn rât     
daz ir gêt, leit iuch slâfen."     
nu solt ich schrîen wâfen     
umbe ir scheiden daz si tuont:     
ez wirt grôz schade in beiden kunt.     

von dem spanbette trat     
ûf den teppech an eine stat     
Parzivâl der wol geslaht:     
der wirt bôt im guote naht.     
diu ritterschaft dô gar ûf spranc.     
ein teil ir im dar nâher dranc:     
dô vuorten si den jungen man     
in eine kemenâten sân.     
diu was alsô gehêret     
mit einem bette gêret,     
daz mich mîn armuot immer müet,     
sît diu erde alsölhe rîchheit blüet.     

    243 
Dem bette armuot was tiur.     
als er glohte in eime viur,     
lac drûffe ein pfellel lieht gemâl.     
die ritter bat dô Parzivâl     
wider varen an ir gemach,     
do er dâ niht mêr bette sach.     
mit urloube si vuoren dan.     

hie hebt sich ander dienst an.     
vil kerzen unt diu varwe sîn     
die gâben ze gegenstrîte schîn:     
waz möhte liehter sîn der tac?     
vor sînem bette ein anderz lac,     
dar ûfe ein kulter, da er dâ saz.     
junchêrren snel und niht ze laz     
maneger im dar nâher spranc:     
si schuohten bein, diu wâren blanc.     

auch zôch im mêr gewandes abe     
manec wol geborner knabe.     
vlaetec wârn diu selben kindelîn.     
dar nâch gienc dô zer tür dar în     
vier clâre juncvrouwen:     
die sollten dennoch schouwen     
wie man des heldes pflaege     
und ob er sanfte laege.     

als mir diu âventiure gewuoc,     
vor ieslîcher ein knappe truoc     
eine kerzen diu wol bran.     
Parzivâl der snelle man     
spranc underz declachen.     
si sagten "ir sult wachen     

    244 
Durch uns noch eine wîle."     

ein spil mit der île     
het er unz an den ort gespilt.     
daz man gein liehter varwe zilt,     
daz begunde ir ougen süezen,     
ê si enpfiengen sîn grüezen.     
ouch vuogten in gedanke nôt,     
daz im sîn munt was sô rôt     
unt daz vor jugende niemen dran     
kôs gein einer halben gran.     

diese vier juncvrouwen cluoc,     
hoert waz ieslîchiu truoc.     
môraz, wîn unt lûtertranc     
truogen drî ûf henden blanc:     
diu vierde juncvrouwe wîs     
truog obez der art von pardîs     
ûf einer tweheln blanc gevar.     
diu selbe kniete ouch vür in dar.     
er bat die vrouwen sitzen.     
si sprach "lât mich bî witzen.     
sô waert ir dienstes ungewert,     
als mîn her vür iuch ist gegert."     

süezer rede er gein in niht vergaz:     
der hêrre tranc, ein teil er az.     
mit urloube si giengen wider:     
Parzivâl sich leite nider.     
ouch sazten junchêrrelîn     
ûf den teppech die kerzen sîn,     
dô si in slâfen sâhen:     
si begunden dannen gâhen. 

242  
Ich will Euch doch Genaueres sagen    
von diesen leidenden Leuten,    
zu denen Parzival geritten kam.    
Man sah da selten Freudenlärm,    
sei es Bouhourt oder Tanz;    
Ihr Klagen war derart beständig,    
daß sie sich um Wettkampf nicht kümmerten.    
Wo man Menschen geringeren Volkes sieht,    
denen tut so manche Freude wohl;    
dort aber waren die Vorratswinkel alle voll,    
und auch zu Hofe, wo man die Ritter sah.    
    
Der Wirt sprach zu seinem Gast:    
„Ich denke, daß man Euch das Bett bereitet hat.    
Seid Ihr müde, so ist mein Rat,    
daß Ihr geht, legt Euch schlafen.“    
Nun sollte ich Alarm schreien    
um ihren Abschied, den sie nun tun:    
Sie werden beide großen Schaden davon erfahren.    
    
Vor dem Spannbett trat    
an eine Stelle auf den Teppich hin    
Parzival, der wohlgeartete.    
Der Wirt bot ihm gute Nacht.    
Die Ritterschaft sprang da gänzlich auf;    
ein Teil von ihr kam näher an ihn heran,    
da führten sie den jungen Mann    
in eine Kemenate sofort,    
die war so herrlich gemacht,    
mit einem Bett ausgestattet,    
daß mich meine Armut immer ärgert,    
seit die Erde solch eine Pracht hervorblüht.    
243 
Dem Bett war Armut teuer.    
Als glühte es in einem Feuer,    
lag darauf ein Pfellelseidentuch leuchtend bunt.    
Die Ritter bat da Parzival    
daß sie zurückgingen zu ihren Gemächern,    
da er dort nicht noch weitere Betten sah.    
Mit Verlaub zogen sie sich zurück.    

Hier hebt ein anderer Dienst an:    
Viele Kerzen und sein eigener Gesichtsglanz,    
die gaben im Widerstreit ihren Schein:    
Was denn lichter sein könne als der Tag?    
Vor seinem Bette lag ein anderes,    
darauf eine Steppdecke, auf der er saß.    
Jungherrlein, schnell und nicht zu lässig,    
sprangen so manche da zu ihm;    
sie entschuhten seine Beine, die waren weiß.    

Auch zog ihm sonst noch die Kleider aus    
mancher wohl geborene Knabe.    
Zierlich waren eben diese Kinderlein.    
Danach kamen dort zur Tür herein    
vier glänzende Jungfrauen.    
Die sollten noch nachschauen,    
wie man den Helden bediene    
und ob er sanft läge.    

Wie mir die Aventiure berichtete,    
trug vor einer jeden ein Knappe    
eine Kerze, die hell brannte.    
Parzival, der schnelle Mann,    
sprang unter das Laken.    
Sie sagten: „Ihr sollt wachen    

244 
mit uns noch eine Weile.“    

Das Spiel mit der Eile    
hat er bis an den Punkt gespielt.    
Was der hellen Gesichtsfarbe zustrebt,    
das begann ihre Augen zu reizen,    
bevor sie seinen Gruß empfingen.    
Auch brachte sie der Gedanke in Not,    
daß ihm sein Mund so rot war    
und daß vor lauter Jugend niemand daran    
auch nur ein halbes Haar fand.    

Diese vier Jungfrauen klug -    
hört, was eine jede trug:    
Maulbeerwein, Wein und Rotwein    
trugen drei auf weißen Händen:    
Die vierte Jungrau weise    
trug Obst der paradiesischen Art    
auf einem Tüchlein von weißer Farbe.    
Diese nun kniete auch vor ihm nieder.    
Er bat die Frau, sich zu setzen.    
Sie sprach: „Laßt mich bei Besinnung bleiben!    
Sonst könnte Euch der Dienst nicht gewährt werden,    
den an Euch zu vollführen ich gebeten wurde.“    

Er unterließ es nicht, heiter mit ihnen zu plaudern;    
der Herr trank, aß auch ein bißchen.    
Mit Verlaub zogen sie sich zurück.    
Parzival legte sich hin.    
Auch stellten Jungherrlein    
seine Kerzen auf dem Teppich ab,    
als sie ihn schlafen sahen.    
Sie machten sich auf und gingen fort. 

 
zur Erklärung des Grals im Trevrizentbuch
+
zur "Funktion der Gralssuche im Parzival" * "lapsit exillis" – "lapis exilis": die Namensvarianten des Grals
*
zur Startseite (Schaltpult mit links zu den Parzival-Seiten):
Synopse Chrétien/ Wolfram: Parzival in der Gralsburg * Übersetzung ins Neuhochdeutsche
zur "Funktion der Gralssuche im Parzival" * "lapsit exillis" – "lapis exilis": die Namensvarianten des Grals
+
Richard Wagner : Parsifal : Gralsszene
+
die große Parsifal-Seite (Derrick Everett)
*+)
mittelalterliche Quellen : mediaevum.de : mittelalterliche Literatur
Chrétien de Troyes: Le conte du graal (ed. Pierre Kunstmann, Uni Ottawa)
Wolframs Parzival (vollständige Netzedition der Lachmann-Ausgabe)
 +
Wagner: Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg, 1., 2. und 3.Aufzug * Das Lied vom Tannhäuser
Chrêtiens und Wolframs Parzival * Wagner: Parsifal * Tristan * Wolfram und Klingsôr im Wartburgkrieg:
Der Gral als Stein aus der Krone der Gerechtigkeit * Luzifers Sturz (Jes 14,12 ff) * Der "köstliche Stein" (1.Petrusbrief)
Goethe: Das Märchen / Deutung (R.Steiner) * Novalis: Klingsohrs Märchen im "Heinrich von Ofterdingen" * Novalis: Hymne
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