Die weitgehend mündliche Überlieferung durch Jahrtausende
war von linguistischen Wissenschaften flankiert, die Phonetik, Metrik,
Etymologien und vor allem die grammatische
Analyse der Texte sicherte: Noch in den Jahrhunderten vor der Zeitenwende
wurde die ganze Sprache in einer denkbar kurzen, aber vollständigen
Grammatik formalisiert (samskrta:
"zusammengefügt", normiert). Der Wissenschaftler Pânini
soll sich bei dieser extrem konzentrierten Formalisierung über die
Einsparung einer Silbe mehr gefreut haben "als über die Geburt eines
Sohnes".
Auch in der Philosophie erreichte die Konzentration der Sätze
auf denkbar knappe Formeln ihr Extrem, besonders in den Brahma-Sûtrâs
des Bâdarâyana (=Shârîraka-Mîmânsâ,
=Vedânta-Sûtrâs), deren Samenkörner dann
durch Shankaras
großen Kommentar zur Alleinheits-Philosophie des Vedanta entfaltet
wurden. Das Himmelreich ist gleich
einem Senfkorn.
Diese Konzentration erfolgt in mehreren Phasen, Schichten weltdeutender
Textauslegung.
Die älteste Literaturschicht bilden die vier Veden,
kultische Texte zum Vollzug der Opfer; dann die ersten Deutungen des Opferrituals
in den Brahmanas, dann die prototypischen
Deutungsansätze der Âranyakas,
vertieft in den philosophischen Keimen der Chândogya-Upanishad,
der Brhadâranyaka-Upanishad
und der anderen Upanishadas der vorbuddhistischen
metaphysischen Diskussion zwischen Brahmanen (Lehrstand) und Kshatriyas
(Wehrstand).
Diese bilden die Grundlage von Shankaras Alleinheits-Philosophie (Vedânta,
"Ende der Veden").
Die schlichteste Formulierung dieser Essenz der
Essenz der Essenzen ist wohl der halbe Vers:
"Das Selbst (âtman) ist die göttliche
Substanz (brahman), und die göttliche
Substanz ist Alles (sarvam)."
Wie auch sonst bei mündlichen "Anfängen" von Text-Tradierungen
ist eine Datierung der Veden nur ungefähr zu geben: Etwa 1000 v.Chr.
mag als grobe Angabe genügen. Viele mündliche Kerne liegen tiefer.
Die Veden sammeln im Rgveda
die beim Opfer rezitierten metrisch gebundenen Verse, im Sâmaveda
die als gesungene Lieder ausgestalteten Verse, im Yajurveda
die Prosasprüche des Opfers, im Atharvaveda
gewisse "Reste", die nicht in den Kanon der erstgenannten drei würdigen
Veden gehören.
Der Rgveda (die Rgveda-Samhitâ)
besteht aus 10 Büchern, "Kreise" (Mandalas)
genannt, in denen nach angerufenen Göttern, Verfasserfamilien oder
Metren die Hymnen (Sûktas) gruppiert
sind.
Der neunte Liederkreis enthält nur Hymnen an den Inspirationsrausch
und Göttertrank Soma,
"Preßsaft" (oder Madhu, "Süße"
wie germanisch "Met", oder A-mrta,
"Unsterblichkeit" wie griechisch "A-mbrosia").
Das zehnte Mandala enthält die jüngsten Sûktas,
besonders auch die urphilosophischen Perlen, die
wir hier deutsch zu fassen versucht haben.
Sanskrit – Einiges zur
Grammatik dieser alten indogermanischen Sprache
Alphabet:
Gott | Götter | (Fragepronomen) | welche? | seiend, seiende |
Nomin.: devas | devâs | was? kim | kani | sat santi |
Genitiv: devasya | devânâm | wessen? kasya | keshâm | satas satâm |
Dativ: devâya | devebhyas | wem? kasmai | kebhyas | sate sadbhyas |
Akkus.: devam | devân | was? kim | kani | sat santi |
Ablativ: devât | devebhyas | woher? kasmât | kebhyas | satas sadbhyas |
Instrum.: devena | devais | womit? kena | kais | satâ sadbhis |
Lokativ: deve | deveshu | worin? kasmin | keshu | sati satsu |
Vokativ: deva |
ich bin
asmi
ich war
âsam
âsa
du bist
asi
du warst âsîs
âstha
es ist
asti
es war
âsît
âsa
wir sind
smas
wir waren âsma
âsma
ihr seid
stha
ihr wart âsta
âsa
sie sind
santi
sie waren âsan
âsur
Im Sanskrit beeinflussen die Wortenden
und -anfänge einander nach gewissen Regeln (Sandhi): Die originale
Textfassung läßt alles "aneinanderhängend" erscheinen;
selbst "Pausen" folgen Klangregeln.
Dieser Klangstrom wird bei manchen Texten
hier deshalb um eine analytische Fassung ergänzt (parallel darunter),
deren nun isolierte (aber flektierte) Wörter die Ausgangselemente
der Übersetzung bilden.