Schon kam wieder ein Wagen gerannt, klein saßen die drei oder vier
Insassen in den Polstern, vom Kopf einer Frau wehte ein Stück Schleier
starr und waagrecht hinterher, ein hellblauer Schleier, es tat mir eigentlich
leid um ihn, wer weiß, ob nicht das schönste Frauengesicht unter
ihm lachte. Herrgott, wenn wir schon Räuber spielten, so wäre
es vielleicht richtiger und hübscher gewesen, dem Beispiel großer
Vorbilder folgend, unsre brave Mordlust nicht auf hübsche Damen mit
auszudehnen. Gustav hatte aber schon geschossen. Der Chauffeur zuckte,
sank in sich zusammen, der Wagen sprang am senkrechten Fels in die Höhe,
fiel zurück und klatschte, die Räder nach oben, auf die Straße
zurück. Wir warteten, nichts regte sich, lautlos lagen, wie in einer
Falle gefangen, die Menschen unter ihrem Wagen. Der schnurrte und rasselte
noch und drehte die Räder drollig in der Luft, aber plötzlich
tat er einen schrecklichen Knall und stand in hellen Flammen.
»Ein Fordwagen«, sagte Gustav. »Wir müssen hinunter
und die Straße wieder frei machen.«
Wir stiegen hinab und sahen uns den brennenden Haufen an. Er war sehr rasch
ausgebrannt, wir hatten inzwischen aus jungem Holz Hebebäume gemacht
und lüpften ihn beiseite und über den Straßenrand in den
Abgrund, daß es lang in den Gebüschen knackste. Zwei von den
Toten waren beim Drehen des Wagens herausgefallen und lagen da, die Kleider
zum Teil verbrannt. Einer hatte den Rock noch ziemlich wohlerhalten, ich
untersuchte seine Taschen, ob wir fänden, wer er gewesen sei. Eine
Ledermappe kam zum Vorschein, darin waren Visitenkarten. Ich nahm eine
und las darauf die Worte:
»Sehr witzig«, sagte Gustav. »Es ist aber in der Tat
gleichgültig, wie die Leute heißen, die wir da umbringen. Sie
sind arme Teufel wie wir, auf die Namen kommt es nicht an. Diese Welt muß
kaputt gehen und wir mit. Sie zehn Minuten
unter
Wasser zu setzen,
wäre
die schmerzloseste Lösung. Na, an die Arbeit!«
Hermann
Hesse: Der Steppenwolf, (Berlin 1927);
aus
der Autojagdszene innerhalb des „Magischen Theaters“
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