aus dem syrischen Text von drei
unedierten Handschriften
in's Deutsche übersetzt und
mit Anmerkungen versehen von
Carl Bezold, Leipzig 1883
Vorwort
C.Bezold
Der Text der dem heiligen Ephraem
zugeschriebenen syrischen „Schatzhöhle",
welche ich in deutscher Übersetzung in den nachstehenden Blättern
zum ersten Male veröffentliche, ist folgenden Handschriften entnommen:
1) Brit.Mus.Add.MSS.Nr.25875,
foll.3,b,1 – 50,b,2. die in Wright's "Catalogue of the Syriac MSS. of
British Museum", Band III, S.1064 beschrieben ist und den vollständigsten
Text der Schrift enthält; ich nenne dieselbe: A -
2) Brit.Mus.Add.MSS.Nr.7199,
foll.1,a – 17,a. vielfach lückenhaft (vgl. unten die Anmerkungen Nr.
57. 69. 80. 98. 104. 135. 136 und 181; auch 154. 171 und 194), beschrieben
von Rosen und Forshall im "Catalogus codicum manuscriptorum orientalium,
qui in Museo Britannico asservantur"; Pars 1, Londini 1838, S.91, Nr.LVIII
(vgl. auch P. de Lagarde, "Symmicta" II, S.6); ich bezeichne sie
mit B - und
3) MS.Sachau 131, ein im
Herbste des verflossenen Jahres in den Privatbesitz des Herrn Professor
Dr. Ed. Sachau in Berlin gelangtes Manuscript aus Mosul: 154 foll., fast
durchwegs à neunzehn Zeilen, Wollenpapier, 16x23,5 cmm., nestorianische
Hand, 1862 vollendet, punktirt und ziemlich gut geschrieben; oben, bisweilen
auch unten paginirt, manchmal mit roten Columnentiteln, sehr selten Randglossen
- welches die „Schatzhöhle" auf foll.79,a – 141,b enthält – ich
bezeichne es mit S.
Die letzte dieser drei Handschriften,
auf deren Existenz mich zuerst Herr Professor Dr. A. Dillmann in Berlin
aufmerksam gemacht hat, schickte mir der Besitzer derselben, Herr Professor
Dr. Ed. Sachau, im November des verflossenen Jahres in zuvorkommendster
Liebenswürdigkeit auf einige Wochen hierher zur Collation, wofür
ich demselben meinen herzlichsten Dank öffentlich ausspreche. Zu gleichem
Danke verprlichtet bin ich dem Assistant am Department of the Oriental
Manuscripts am britischen Museum in London, Herrn Dr. Reinhart Hörning,
der mir, obwohl er selbst sich mit der syrischen „Schatzhöhle" längere
Zeit beschäftigt und eine Ausgabe derselben beabsichtigt hatte, auf
meine Bitte die beiden Londoner Handschriften derselben in freundschaftlichster
Weise zur Copie und Herausgabe überliess. Ich komme hier einem Wunsche
desselben nach, indem ich bemerke, dass die in dem von Professor Dr. E.
Trumpp edirten „Hexaemeron des Pseudo-Epiphanius" (in den „Abh.
d. k.bayr. Ak. d.W.", I.Cl., XVI.Bd., II.Abt.), Sprt.-Ag., S.III ff.
publicirte Übersetzung Hörning's vom Anfange der "Schatzhöhle"
eigentlich nicht für den Druck bestimmt, sondern nur als Privatmitteilung
niedergeschrieben war.
Für die endgültige
Fassung des syrischen Textes kommt ausser den genannten drei Handschriften
eine vierte, im römischen Batican befindliche in Betracht (s.Assemani,
B.O. II, 498; III, 1, 281), welche ich, ebenso wie den unten zu
erwähnenden codex Arabicus, sobald als möglich an Ort und Stelle
bearbeiten zu können hoffe; für die Übersetzung hingegen
wäre unter allen Umständen ein eklektisches Verfahren geboten.
Die mir vorgelegenen Handschriften lassen eine doppelte Recension, A gegenüber
B und S erkennen (vgl. Anmm: 66. 75. 85. 128. 154. 171. 194. 198. 199.
203. 208. u.a.). -
Dass die syrische „Schatzhöhle"
mit dem zweiten und dritten Teile des von A. Dillmann (in Ewald's „Jahrbüchern",II)
übersetzten und später von E. Trumpp (in den „Abh. d. k.bayr.
Ak. d.W.", I.Cl., XV.Bd., III.Abt.) edirten „christlichen Adambuche
des Morgenlandes" dem Inhalt nach, aber nicht wörtlich übereinstimmt,
wird aus der nachstehenden Übersetzung deutlich genug hervorgehen.
Die von Wilhelm Meyer (in den „Abh. d. k.bayr. Ak. d.W.", I.Cl.,
XIV.Bd., III.Abt.) edirten abendländischen Texte weisen nur wenige
und oberflächliche Berührungspunkte mit unserem Buche auf. Dagegen
glaube ich die directe arabische und auch die äthiopische Übersetzung
der „Schatzhöhle" in dem Cod. Vat. Arabicus XXXIX (s. Assemani, B.O.
II, 508; vgl. Rénan im J.As., sér.V, t.II über
den Pariser ar. Cod.54) einerseits, und in dem von A. Dillmann (in den
„Nachr. d.G.d.W. zu Göttingen", 1858, Nr.17, S.185 ff.) beschriebenen
„äthiopischen Buch Clementinischer Schriften" andererseits gefunden
zu haben. Von letzterer Schrift stand mir die „mit grosser Nachlässigkeit
gemachte" Tübinger Abschrift in einer genauen Copie zur Verfügung,
durch deren Mitteilung mich mein hochverehrter Lehrer und Freund, Herr
Privatdozent Dr. Fritz Hommel, zu freudigem Danke verpflichtet hat. Die
Schrift enthält in ihrem ersten Teile (nach einer kurzen Einleitung)
die zum Teil völlig wörtliche Übersetzung der „Spelunca";
leider erstreckt sich der Text sowohl der Tübinger, wie auch der ausser
dieser vorhandenen drei Londoner Handschriften des äthiopischen „Clementinum's"
(s.Wright's „Catalogue of the Aethiopic MSS. of the British Museum",
Nr.CCCXX ff.) nur bis zu König Joram; vgl. unten Anm.158.
Diese äthiopische Übersetzung
wurde, wie mir unzweifelhaft ist, durch die Mittelstufe des Arabischen
aus dem Syrischen angefertigt, und es wäre um so interessanter, den
arabischen Test genau zu vergleichen, als derselbe, wie Dillman (a.a.O.)
bemerkt, den vollständigen Inhalt des Buches enthält. Die Reihenfolge
und dass gegenseitige Verhältnis der sämmtlichen angezogenen
Handschriften liesse sich demnach, wie folgt, darstellen:
Syrische Schatzhöhle
|
Cod. Vat. Arab. XXXIX
____ Cod. Mon. Ar. 243
|
Clement. Aethiop.
____ äth. Adambuch.
Eine eingehender Auseinandersetzung
über die Heimat, das Alter, den Verfasser und die Beziehungen unserer
Schrift zu den Büchern ähnlichen Inhaltes, sowie auch Untersuchungen
über einzlene Züge und über die den biblischen Citaten zu
Grunde liegende Peschîtâ-Recension behalte ich mir für
eine ausführliche „Einleitung" zum zweiten Teile meines Buches vor,
der den syrischen Text nach den sämmtlichen bekannten Handschriften,
sowie die Resultate der Vergleichung desselben mit der arabischen Übersetzung
enthalten soll. Gleichwol glaube ich hier schon folgendes erwähnen
zu sollen:
Die „Schatzhöhle",
entstanden etwa im sechsten Jahrhundert, ist ein Erzeugnis des syrischen
christlichen Morgenlandes. Darauf führt vor allem die Erzählung,
in welcher die syrische Sprache als die Königin aller Sprachen und
geradezu als die Ursprache, der sich die Völker vor der babylonischen
Sprachverwirrung bedienten, bezeichnet wird; ferner die Stelle, woselbst
der Beweis angetreten wird, dass die Syrer an dem Opfertode Christi keine
Schuld hatten; und endlich mehrere der sogenannten „nomina portentosa",
wie Haikal und Nâmos (vgl. Anm.73). Wie schon Dillmann und nach ihm
Rönsch („Das Buch der Jubiläen", S.340) ausgesprochen
haben, ist die Schrift der Schule des Ephraem Syrus zuzuschreiben, geht
aber in der vorliegenden Gestalt keinesfalls auf diesen selbst als Verfasser
zurück (vgl. u.a. die Namen der Mager). Basirend auf der Literatur
der sogenannten „Jubiläenbücher" enthält die „Schatzhöhle"
eine reiche Fülle später allenthalben widerkehrender Legenden
und deckt sich, wie schon oben angedeutet wurde, inhaltlich soweit mit
dem christlichen „Adambuche" des Morgenlandes, dass letzteres in seinem
zweiten und dritten Teile nur als eine andere Recension unserer Schrift
angesehen werden kann. Doch finden sich diesem gegenüber in jener
immerhin eine Anzahl neuer Sagen und Exegesen, unter denen folgende besonders
beachtenswert erscheinen dürften: einzelne Züge in der Flutbeschreibung
(wie das Küssen der Fersen des Paradieses, Beschreibung eines Kreuzes
auf dem Wasser), Verfluchung Canaan's, Aufzählung der Völker
und Reiche der Söhne Noah's, das Orakel Jonton's, Aufzählung
der Städte Nimrod's, Namen der Erbauer Jerusalem's, Magog's Besuch
bei Melchisedech, über das Alter Melchisedech's, die Sagen von Kumros,
Erbauung Nisibis, Edessa's und Haran's, die Kinder Abraham's und der Kentura,
Erbauung Jericho's, Geschichte Jakob's, Wunderwerke Salomo's, die (bekannte)
Entdeckung des Purpurs, Bestrafung Jesaia's – sowie eine Reihe sentenzenhafter
Sätze zur Erhärtung des Satzes, dass „Christus in allem Adam
gleich geworden ist", und endlich einige Züge aus der Lebens- und
Leidensgeschichte des Erlösers.
An die Stelle des von Dillmann
sogenannten „ersten Teiles" des „Adambuches", das heisst des eigentlichen
„Kampfes des Adam und der Heva", wovon die „Schatzhöhle" keine Spur
aufweist, tritt dagegen hier eine Beschreibung der Schöpfung ein,
die sich als Grundlage zu dem „Hexaemeron des Pseudo-Epiphanius, freilich
in einer anderen Recension als der uns vorliegenden, erweist (vgl. Anm.
14 und Trumpp, a.a.O.). Ich glaube schon jetzt behaupten zu dürfen,
dass offenbar zwischen dieser und dem folgenden Hauptteil der Schrift späterhin
das aus anderweitigen Quellen geschöpfte „Gadela Adâm" im engeren
Sinne eingeschoben worden ist.
Die „Übersetzung" ist
so wörtlich als möglich gehalten.
Das Resultat meiner Vergleichung
der syrischen Handschriften unter einander und mit dem „Clementinum Aethiopicum"
ist in den „Anmerkungen" niedergelegt: dass ich dabei auch das äthiopische
„Adambuch" berücksichtigt habe, und an einigen Stellen sprachliche
und selbst inhaltliche Bemerkungen einfügen zu sollen glaubte, wird
man nicht tadeln.